50 Jahren Sammeln – eine Zwischenbilanz

Ich habe keine Ahnung, wann ich mit dem Bazillus „Briefmarke“ infiziert wurde. Meine erste Erinnerung ist es, dass mir meine Großmutter irgendwann in meinen Kindertagen ein paar niederländische Briefmarken mitbrachte. Ich weiß zwar nicht mehr genau wann das war, aber wo. Es war im Hinterraum des Ladens meiner Eltern. Auf jeden Fall fand ich das Bild von Königin Juliana faszinierend. Und Holland war für mich, der noch unter 10 Jahre alt war, weit weg und exotisch.

Ich bewahrte die Briefmarken auf, durfte mir ab diesem Zeitpunkt weitere Briefmarken aus der Geschäftspost meiner Eltern ausschneiden und auch ein kleines Steckalbum konnte ich bald mein Eigen nennen. Da meine Eltern mit der Philatelie – das Wort kannte ich damals noch nicht – nichts am Hut hatten und auch niemand in der Verwandtschaft oder im Bekanntenkreis der Sammelleidenschaft frönte, war ich philatelistisch auf mich allein gestellt. Ab und zu durfte ich mir im nahen Schreibwarengeschäft ein kleines Paket Briefmarken kaufen. Irgendwann organisierte ich mir eine Pinzette aus einem Verbandkasten und war stolz wie Oskar. Das muss alles so zwischen 1967 – 69 gewesen sein.

Einige Jahre später merkte ich, dass es keinen Spaß macht, alles was man an Briefmarken bekommt, einfach nur ins Album zu stecken. Es musste ein Sammelprinzip und ein Ziel her. Ich kaufte mir den billigstem Briefmarkenkatalog und stellte fest, dass es viel mehr Marken der Bundesrepublik gab, als ich in meinem Album hatte. Ich entschied mich, die Marken der Bundesrepublik in gestempelter Form zu sammeln. Dann sind Erinnerungslücken da. Das nächste Erlebnis ist aus dem Jahre 1975. Bei einem Schulfreund konnte ich einen Olympia-Stadionblock eintauschen. Mann, was war ich stolz.
Zu dieser Zeit startete ich meinen ersten Versuch mit einem Briefmarkenverein. Der Verein tagte in meiner Schule. Also fuhr ich eines schönen Sonntages dahin. Niemand nahm von mir Notiz. Jemand hatte sich gerade einen postfrischen Posthornsatz gekauft und zeigte ihn seinen Kollegen voller Stolz. Er wurde angehimmelt wie der Messias. Die alten Herren achteten gar nicht auf mich. Nur einer kam zu mir. Er sah sich mein Dublettenalbum an, nahm sich einige Marken aus dem Bereich „Kontrollrat/BiZone“, gab mir ein paar Groschen und ging wortlos. Kein Hinweis auf Farben, Zähnungen oder auch nur ein freundliches Wort. Da wollte ich nie wieder hin.

1978 besuchte ich erstmalig die Briefmarkenmesse in Essen. Welch ein Erlebnis. Mein Vater hatte ich mich dort hingebracht und auch wieder abgeholt. Ich hätte tagelang dableiben können. Es gab damals ein Heft, mit dem man die einzelnen Postverwaltungen abklappern konnte. Dort bekam man eine Marke und einen Sonderstempel. Welch ein Gedränge an den Ständen. Aber auch welch ein Glücksgefühl, wenn ich endlich ein weiteres Feld gefüllt hatte. Für das Taschengeld war der Besuch nicht so gut.

Die Überraschung kam einige Woche nach der Messe. Ich hatte an einem Preisausschreiben teilgenommen und den zweiten Preis gewonnen. Ich konnte mir bei dem veranstaltenden Versandhaus für 300 DM Briefmarken kaufen. Was für eine unvorstellbare Summe.

Inzwischen hatte ich einen Ferienjob bei IKEA ergattert. Manchmal konnte ich dort auch am Nachmittag oder am Samstag arbeiten, so dass ich immer ein paar Mark für Briefmarken ausgeben konnte. Der nächste Briefmarkenhändler war am Bahnhof in Recklinghausen. Das waren 20 km hin und 20 km zurück. Natürlich mit dem Fahrrad. Wenn ich mindestens 10 Mark entbehren konnte, fuhr ich dorthin. Die Bundsammlung wuchs langsam.

Inzwischen hatte mein Vater einen Arbeitskollegen, der Briefmarken sammelte. Irgendwann lud er mich ein. Ich sah zum ersten Mal eine echte Briefmarkensammlung. Toll. Er sammelte Russland / UDSSR und war nach eigenen Angaben ziemlich komplett. Im Schrank reihte sich ein Album an das nächste. Zum Abschluss bekam ich noch einige Bundmarken geschenkt. Da das von seiner Frau gereichte Mittagessen auch gut war, war es ein super Tag.

1979 machte ich meinen Führerschein und hatte etwas später auch ein kleines Auto. Natürlich einen Käfer. Irgendwo hatte ich gehört, dass es in Münster ein Auktionshaus gab. Ich fand heraus, wann die nächste Auktion war und fuhr dorthin. Ich kaufte mir einen Bethovenblock von 1959. Ich weiß nicht mehr genau, was ich bezahlen musste, aber es tat weh.

Zu dieser Zeit hatte ich einen Tauschpartner in Berlin. Ich besorgte ihm die neuesten Bund MH und bekam dafür DDR Marken auf Brief. Viele Jahre später lernte ich, dass die DDR-Satzbriefe nicht das „Gelbe vom Ei“ waren.

Ab 1981 wurde es um die Briefmarken ruhiger. Studium und die ersten Schritte ins Berufsleben sorgten dafür, dass der Sammlung nur gelegentlich etwas Neues hinzugefügt wurde. Ab 1986 besuchte ich regelmäßig ein Auktionshaus in Datteln und beschäftige mich etwas mit den Infla-Marken des Deutschen Reiches.

Von 1992 bis 1994 arbeitete ich in Erfurt. In dieser Zeit stellte ich alle meine Sammelgebiete – also Deutsches Reich, Bund, Berlin, DDR, Zonen nach 45 – auf Vordruckalben um. Ein finanzieller Kraftakt, den ich mir hätte sparen können.

1995 zog ich nach Münster um und trieb mich vermehrt auf Auktionen in NRW herum. Dabei merkte ich, dass es mir mehr Spaß macht, Sammlungen zu kaufen und diese zu durchstöbern, als einzelne Marken oder Sätze zu kaufen. Diese Erkenntnis hatte wesentlichen Einfluss auf mein weiteres Kaufverhalten. Ich nahm die ersten Spezialisierungen an meiner Sammlung vor.

Ich starte wieder einen Versuch, einem Briefmarkenverein beizutreten. Auch wenn ich mich dort nach einigen Besuchen nicht heimisch gefühlt habe, trat ich dem Verein bei. Ich bin dort immer noch Mitglied, war aber schon viele Jahre nicht mehr bei einem Tauschtag anwesend. Mir ist aber ein Vortrag des damaligen Vorsitzenden in Erinnerung geblieben. Das Thema war die Portoerhöhung in den Besatzungszonen zum 01.03.46. Ich war fasziniert und beschloss, philatelistisch in diese Zeit „tiefer einzutauchen“.

Die BiZone und hier besonders die AM-Post- wurden mein Schwerpunkt. Ich trat der ArGe AM-Post bei. Bei meiner ersten Teilnahme an einem Mitgliedertreffen habe ich mich gleich sehr wohl gefühlt. Dier Veranstaltung in Bad Münstereifel hat mir gezeigt, dass es selbst bei solch einem Treffen mehr gibt als nur die Philatelie. Das ist nun auch schon wieder 15 Jahre her. Und inzwischen ist aus der Sammelleidenschaft auch ein kleiner Nebenerwerb geworden. Manchmal werde ich inzwischen der AM-Post untreu und wildere bei Preußen, den Brustschildern oder auch den Inflationsmarken des Deutschen Reiches.

Was füllt denn nun nach 50 Jahren den philatelistischen Schrank? Eine Sammlung, die irgendwann mal auf einer großen Auktion versteigert wird? Eine Menge Altpapier? Eine Ansammlung von wahllos zusammengetragenen Marken und Belegen? Vielleicht von allem etwas. Auf jeden Fall 50 Jahre Freude am Hobby. Ob ich nun Briefmarkensammler oder Philatelist bin, ist mir eigentlich egal. Ich bin glücklich mit dem was ich angesammelt habe und was ich gemacht habe. Ich habe sicherlich – gerade in den ersten 20 oder 30 Jahren – eine Menge Geld versenkt und das nicht nur, weil die Marken heute billiger sind als vor 30 Jahren, sondern weil ich falsche Entscheidungen getroffen habe. So gab es mal ein Abo „Briefmarken im Sonntagskleid“ oder „UNO“. Aber ich bereue das nicht.

Manchmal denke ich, dass es gut gewesen wäre, wenn mich in den Jugendjahren jemand unter seine philatelistischen Fittiche genommen hätte. Mein Sammlerleben wäre sicherlich anders verlaufen. Aber wäre das besser gewesen und hätte es mich zufriedener gemacht als ich bin? Es ist gut wie es war. Und ich freue mich auf die nächsten Jahrzehnte mit meinen Marken / Belegen und den Menschen, die ich bereits kennenlernen durfte und noch kennenlernen werde.

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